Unzertrennliche Smartphones

Warum uns Scrollen so erschöpft – und was Dopamin damit zu tun hat

Einmal wischen – und schon erscheint das nächste Video. TikTok, Instagram Reels und YouTube Shorts liefern uns eine endlose Abfolge von Clips, perfekt darauf ausgelegt, uns festzuhalten.

Viele Menschen kennen das: eigentlich wollte man nur kurz reinschauen – und plötzlich ist eine Stunde vergangen. Doch warum fällt es uns so schwer, das Smartphone wegzulegen? Und was macht das mit unserem Gehirn?


Dopamin – mehr als ein „Glückshormon“


Oft wird Dopamin als „Glückshormon“ bezeichnet. Doch genau genommen ist es ein Neurotransmitter – ein Botenstoff im Gehirn, der Motivation, Lernen und Erwartung steuert. Forschende der University of California zeigten bereits 2016, dass Social-Media-Interaktionen jene Hirnregionen aktivieren, die an Belohnungsprozessen beteiligt sind.

Der Neurowissenschaftler Wolfram Schultz (University of Cambridge) erklärt in einem Beitrag der “Süddeutschen Zeitung”: Dopamin wird nicht erst dann ausgeschüttet, wenn wir eine Belohnung bekommen – sondern schon dann, wenn wir sie erwarten. Das heißt: Unser Gehirn reagiert bereits, wenn wir ahnen, dass etwas Interessantes kommen könnte. Ein neues Video. Ein Like. Eine Nachricht. Ein potenzieller Gewinn.


Warum Social Media unser Belohnungssystem kitzelt


Ein wenig lässt sich das mit einem Casino vergleichen. Dort lösen Lichter, Geräusche und die Aussicht auf Gewinn starke Dopaminausschüttungen aus. Nicht, weil jedes Spiel gewinnt – sondern weil wir denken könnten, dass das nächste etwas bringt.

Unser Gehirn reagiert besonders stark, wenn eine erwartete Belohnung nicht kommt – und bleibt deshalb dran. Auf Social Media passiert genau das:

  • Ein Video begeistert uns,
  • das nächste enttäuscht,
  • dann kommt vielleicht wieder ein Highlight.

Und genau diese Mischung hält uns in Bewegung.


Warum wir uns nach dem Scrollen erschöpft fühlen


Viele Menschen berichten, dass sie sich nach längerer Smartphone-Zeit ausgelaugt fühlen. Und ja, Reizüberflutung kann tatsächlich ermüden.

Die ständige Erwartung neuer Reize aktiviert das Belohnungssystem immer wieder. Irgendwann braucht das Gehirn eine Pause – bekommt sie aber nicht, wenn wir weiter scrollen.

Dazu kommt: Der präfrontale Kortex, also der Teil unseres Gehirns, der Entscheidungen trifft und Impulse kontrolliert, ist langsamer aktiv als das Belohnungssystem. Bei Kindern und Jugendlichen ist er noch nicht vollständig ausgereift – deshalb fällt ihnen Impulskontrolle besonders schwer. Die bewusste Entscheidung, das Smartphone aus der Hand zu legen, ist solch eine Impulskontrolle.

So erklärt sich auch, warum Social Media gerade für junge Menschen so herausfordernd sein kann.


Dopamin-Fasten – Trend oder tatsächliche Lösung?


Der Trend des „Dopamin-Fastens“ behauptet, dass man durch Verzicht die Dopaminspiegel im Gehirn senken könne. Forschende widersprechen dem: Dopamin lässt sich nicht „abstellen“. Aber wir können Reize reduzieren, die das Belohnungssystem ständig triggern.

Und das kann sinnvoll sein.
Nicht, um Dopamin zu senken – sondern um

  • Gewohnheiten neu zu justieren,
  • Impulse bewusster zu steuern
  • und dem Gehirn Zeit zur Erholung zu geben.

Eine Pause von Social Media hilft vielen Menschen, wieder empfänglicher zu werden für einfache, kleine Freuden des Alltags – ohne ständige Reizbeschallung.


Was wir daraus lernen können


Wir können Social Media nicht dopaminfrei konsumieren – aber wir können es sinnvoll gestalten. Kleine Gewohnheitsänderungen können helfen:

  • bewusst begrenzte Bildschirmzeiten
  • feste Scroll-Pausen
  • Push-Nachrichten reduzieren
  • das Smartphone mal bewusst „aus dem Sichtfeld“ legen
  • Inhalte auswählen, die gut tun statt treiben

Es geht nicht um Schwarz-Weiß oder radikale Verbote. Sondern um Medienmündigkeit – und darum, wieder Herr über die eigenen Aufmerksamkeit zu werden, statt sie vollständig Algorithmen zu überlassen.


publicon setzt sich genau dafür ein: für eine Kommunikation mit Haltung, die Menschen stärkt statt überfordert – und für einen Umgang mit Medien, der bewusst, reflektiert und menschenfreundlich bleibt.

Text: publicon
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