Twitter und Co: Kein Rückzug – aber sinnvoll nutzen

Das enorme Chaos auf dem Kurznachrichtendienst Twitter, dass die Milliardenübernahme durch Elon Musk verursacht hat, wirft bei unzähligen Nutzern die Frage auf: soll ich länger auf Twitter bleiben oder meinen Account deaktivieren? Versuch einer Antwort.

Twitter hat sich über viele Jahre zum einigermaßen zuverlässigen News-Lieferanten entwickelt. Klar, mit Abstrichen, aber immerhin: User aus aller Welt haben mit ihren in Echtzeit geposteten Videos, Kommentaren und Bildern die Ereignisse ihrer unmittelbaren Umgebung in die Welt getweeted. Beispiele: Über einer x-beliebigen Stadt kreist spät Abends seit einer Stunde ein Hubschrauber, die lokale Zeitung bringt nichts auf ihrer Website – aber auf Twitter postet der Pressesprecher der örtlichen Polizei: „Randale in der Nähe des Einkaufszentrums, wir haben den Polizeihubschrauber im Einsatz, unterstützt unsere Fahndung nach zwei Geflüchteten.“ Ach so, alles klar, die Verwunderung über den spätabendlichen Lärm hat sich gelegt. Und wir prüfen noch kurz, ob die Haustür auch verschlossen ist. 

Die Beispiele ließen sich unendlich fortsetzen. User auf Twitter helfen uns, die Welt zu verstehen. Und seien es auch nur marginale Details. 

Ereignisse zu verstehen und einzuordnen ist ursächliche Aufgabe der Medien. Insbesondere Tageszeitungen werden deshalb gelesen und Nachrichtensendungen deshalb geschaut, weil wir durch die fachliche Einschätzung und Bewertung von Journalisten die Dinge um uns herum besser verstehen wollen. Was ist wirklich wichtig? Warum wurde diese Entscheidung getroffen? Und welche Konsequenzen kann das für mich persönlich mit sich bringen? Alles Fragen, auf die wir in den Medien eine Antwort suchen und vielfach bekommen. 

„Das Böse kann sich da ausbreiten,
wo sich das Gute zurückzieht.“

Twitter hat im Laufe der Jahre – siehe das kleine Beispiel oben – den Nachrichten-Machern von Zeitungen und Sendungen den Rang abgelaufen. Es wenigstens versucht. Irgendwie empfanden wir die Tweets zu irgendwelchen Ereignissen als zuverlässige Quelle. Warum auch nicht? Erstens kamen sie direkt und unmittelbar, Bilder und Videos zeigten uns, was gerade passiert. Zweitens hatten wir immer im Hinterkopf: Twitter beschäftigt ein riesiges Team von Menschen, die Tweets prüfen, Falschaussagen, Lügen und grausame Bilder löschen. Algorithmen filtern schon vor der Veröffentlichung. Damit Twitter eben nicht zu einer Chaos-Plattform wird. 

Seit der Musk-Übernahme hat sich das geändert. Meinungsfreiheit ist die neue Leitlinie, die Elon Musk ausgegeben hat. Gut so, jubeln vor allem jene, deren Tweets und Accounts in den vergangenen Jahren gelöscht oder deaktiviert wurden. Denen nachgewiesen wurde, dass sie bei vollem Bewusstsein ihre Follower mit Falschbehauptungen, Aussagen unter dem Motto „Man wird ja wohl noch mal Fragen dürfen…“ oder „Wenn da mal nicht Jemand heimlich die Fäden zieht…“ um sich geschart haben. Auch dafür gibt es unzählige Beispiele. 

So weit, so schlecht. Zwei – persönliche – Konsequenzen: 

  1. Wahrheitsprüfungen und grundsolide Skepsis sind aktuell wichtiger denn je. Sie waren schon immer wichtig. Twittert heute ein Politiker, ein prominenter Journalist oder wer auch immer seine Ansichten, speichere ich das nicht als zuverlässigen Fakt ab. Sondern als das, was es ist: Eine persönliche Ansicht, die noch lange nicht auf Wahrheit basieren muss. 

  2. „Das Böse kann sich da ausbreiten, wo sich das Gute zurückzieht.“ Den Satz habe ich zum ersten Mal in einer Folge des großartigen Podcast „ZEIT Verbrechen“ gehört, Sabine Rückert schreibt ihn dem Kirchenvater Augustinus zu. Die weise Aussage trifft auch auf die Twitter-Lage zu. 

    Und noch was: Auch Instagram oder YouTube sind nicht frei von ungeprüften Nachrichten und Meinungen. Rückzug: Nein! Sinnvolle Nutzung: Ja!


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